Mampf und Stampf

Beikost – so ursprünglich wie möglich

Welches wäre das natürlichste Beikost-Angebot für mein Kind?

In der Zeit, als unsere Tochter im Alter von 5-6 Monaten mit den ersten Nahrungsmitteln experimentiert hat, habe ich mich oft gefragt, wie diese Beikost eigentlich ganz früher wohl ausgesehen hat. In der Zeit, als es anstelle von Pürierstäben primitive Steinwerkzeuge gab und unsere Vorfahren viel mit der Nahrungssuche oder -herstellung beschäftigt waren. Dass es nicht abwegig ist, die Ernährungs-Bedürfnisse des Kindes mal aus dieser historischen Perspektive zu sehen, erklärt Herbert Renz-Polster[1] auf ebenso einleuchtende wie unterhaltsame Weise. Unsere Kinder entwickeln sich nämlich immer noch – seit Jahrtausenden – kann man sagen, nach einem Ablauf, der sich bestens für die Lebensbedingungen und das Überleben „draußen“ in der Natur bewährt hat. Bei diesem Plan handelt es sich sicher nicht um einen fünfstufigen Brei-Fahrplan, in dem das Kind exakt nach Lebensmonat sechs, kleine Mengen feinpüriertes Gemüse und Getreide isst. Wir wissen auch, dass ihm das nicht unbedingt schadet.

Natürlich zur richtigen Zeit

Aber welche Antworten liefern uns denn z.B. die natürliche körperliche Entwicklung und das noch weitgehend unbeeinflusste Verhalten unserer Kinder? Es lohnt sich, einmal vertrauensvoll auf die angeborenen Fähigkeiten von uns Menschen zu schauen, bevor man sich völlig ahnungslos der Konsumschlacht unserer Drogerie- und Biomärkte hingibt. Denn die Natur „macht“ das – wie meistens – geschickt:

Im Durchschnitt um den 6. Lebensmonat herum (heißt da gibt’s frühere und spätere Kinder!):

  • werden erste Zähnchen sichtbar
  • produziert das Baby zusätzlich zu den in der Muttermilch enthaltenen Verdauungsenzymen, zunehmend selbst den Stoff Amylase, der zur Verdauung von Stärke (= pflanzliche Kohlenhydrate z.B. in Weizen, Reis, etc.) nötig ist
  • beherrschen Babys das Greifen und die Hand-Mund-Koordination gut
  • können die meisten Babys ihren Kopf halten und kontrollieren, sowie mit leichter Unterstützung z.B. im Schoß der Eltern sitzen, was unverzichtbar für sicheres Schlucken ist
  • legen die meisten Babys ihren Zungenstoßreflex ab (Zunge schiebt Nahrung/Fremdkörper direkt wieder aus dem Babymund heraus)
 

Dies sind Anzeichen, die in ihrer Kombination eindeutig darauf hinweisen, dass sich Babys auf die Aufnahme zusätzlicher Nahrung vorbereiten. Der Zeitpunkt für das erste Probieren von Beikost ist von Kind zu Kind ganz unterschiedlich. Natürliches Beikost Angebot heißt also 1. erst dann, wenn das Kind bereit ist.

Es muss natürlich verträglich sein

Honig, Rohmilch, Käse aus Rohmilch, rohes Fleisch, roher Fisch und rohe Eier sind zwar natürliche Lebensmittel – für Babys aber äußerst ungeeignet, da sie nicht erhitzt oder sonst wie verarbeitet und von Krankheitskeimen befreit wurden. Ganze Nüsse, Trauben, Blaubeeren und vergleichbare feste, runde Früchte sind ebenso riskant, aufgrund der Verschluckungs-/Erstickungsgefahr. Alle Snacks, fertigen Produkte und Getränke mit zugesetztem Zucker (Honig, Glukosesirup, Agavendicksaft, Sirupe, Säfte, etc.), Süßungsmittel, viel Salz, Alkohol, Koffein in den Zutatenlisten sind (absolut) ungeeignet, um von der „Natürlichkeit“ hier ganz zu schweigen…

Zum Beikoststart bzw. in größeren Mengen nicht so empfehlenswert sind Kohlsorten, Zwiebeln, Paprika, ungeschälte Tomaten, Bohnen, Linsen und Pilze. Auf solche „Spezialfälle“, wie die enthaltenen komplexen Kohlenhydrate und sekundären Pflanzenstoffe muss sich das kindliche Verdauungssystem erst noch einrichten, wäre damit in den meisten Fällen überfordert und das Baby kann unter Bauchweh leiden.

Ideal zum Probieren ist ein leicht süßlich schmeckendes Gemüse wie z.B. Süßkartoffel, Karotte/Möhre, Kürbis, Pastinake, rote, gelbe, gestreifte Beete, Kartoffel oder Steckrübe. 

Die natürliche Form

Was die Darreichungsform betrifft, so ist auch hier der natürlichste Weg, sich am eigenen Kind zu orientieren. Keine starren Beikostpläne, Brei-Stufenfahrpläne oder genaue „Regeln“ nach Baby-led-weaning können aus meiner Sicht den individuellen Vorlieben eines Babys gerecht werden. Und wenn überhaupt noch strenge Orientierung an jemandem oder etwas geboten ist, dann an Dir bzw. Euch als Eltern selbst! Denn was Du selbst im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung für richtig, wichtig, lecker und geeignet hältst, das wird dein Kind auch am leichtesten akzeptieren und erkunden wollen. Was es unbedingt zu vermeiden gilt: Tricksereien wie den Löffel schnell in den geöffneten Mund schieben, Überreden/Erpressen à la „wenn Du das isst, gibt’s nachher noch…“ und Ablenkungen, um zu Füttern. Was wir inmitten der Ratschläge, Bücher, Internetseiten, Ärztlichen Hinweise und Rezeptempfehlungen leider schnell vergessen ist: Hinschauen, beobachten und fühlen, was Dein Baby kann und mag! Die eigenen Überzeugungen ob von Brei, BLW, nur Selbstgekochtes oder ausschließlichem Weiterstillen sollte man dabei immer wieder kritisch reflektieren – auch wenn’s schwerfällt. Aber je offener und dem Kind zugewandter man in die Beikost-Zeit reingeht, desto einfacher wird und is(s)t es!

[1] Renz-Polster, H. 2022. Kinder verstehen. Wie die Evolution unsere Kinder prägt. 12. Auflage, Kösel Verlag.

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